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Schlusswort

 

Die vorliegende Arbeit hat nicht mehr tun können und wollen, als an Hand der Ereignisse in den niederländischen Nachbarkirchen aufzuzeigen, wie das Problem der Synodalautorität sich dort stellte, und wie man es zu lösen versucht hat. Eine solche Untersuchung musste gerade an den Krisenpunkten der Einheit von Kirche und Lehre die Sonde ansetzen und sich bemühen, die ekklesiologischen Hintergründe kirchlichen Handelns nachzuweisen.

Wir haben dabei gesehen, dass diese Krisen zum Teil darauf zurückzuführen sein dürften, dass man das Wesen der Kirche in die einzelnen Glieder verlegt hatte, statt es im Christus praesens und mittelbar im Wort Gottes und in der Verkündigung des Wortes zu suchen.

Es hat sich zweitens gezeigt, dass die Krisen mit veranlasst sind durch einen besonderen, mit der Sicht des Wesens der Kirche zusammenhängenden Machtbegriff (potestas), der nicht voll der neutestamentlichen Erkenntnis gerecht wird.

Es ist festzustellen, dass auch die Synoden grundsätzlich nichts anderes ausüben können als einen Dienst an der Verkündigung, und dass ihre Vollmacht wesentlich keine andere als die jeder anderen Versammlung der Gemeinde, wenn auch eine funktional besonders qualifizierte ist. Die Synode erhält dieselbe nicht durch Delegierung von den Gemeinden, besitzt sie auch nicht inhärent an sich, sondern empfängt sie für ihre Aufgabe als Dienerin am Aufbau der Gemeinde, das heisst aber der Gemeinden vom Herrn der Kirche.

Gleichwohl kann in einer geordneten kirchlichen Gemeinschaft auf eine ordentliche Entsendung der Mitglieder der Synode nicht verzichtet werden; auch dann nicht, wenn man die Synode — wie in der neuen KO der Hervormden Kerk und seit Assen zunehmend auch bei den

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Gereformeerden — als “ambtelijke vergadering”, also als Versammlung der Ämter und nicht als Versammlung von Abgeordneten betrachtet.

Die Synoden haben den Gemeinden gegenüber eine dienende, nicht aber deshalb untergeordnete Funktion; diese Funktion lässt sich mit “Organ der Presbyterien” nicht adäquat erfassen, ohne dem ad hoc entstehenden Charakter der Synode als Gemeinde und ihrer Beschlüsse als persönlich verantworteter Entscheidung Abbruch zu tun. Die Synode tritt den Gemeinden gegenüber; sie leitet, das heisst: sie ruft die Gemeinden zum Gehorsam gegenüber ihrem Herrn.

Weil sie nicht regierende Herrin, sondern Dienerin der Gemeinden ist, sollten ihre Beschlüsse diesen nicht als zwingendes Gesetz, sondern als Annahme und Gehorsam fordernde Hilfe entgegentreten und diesen Charakter um jeden Preis behalten.

Wenn wir mit diesen Thesen schliessen, so geschieht dies in dem vollen Bewusstsein, dass sich hier nun eigentlich erst die für unsere deutsch Situation erforderliche Anwendung und Nutzbarmachung anschliessen müsste. Sie vorzunehmen, mag und muss einstweilen Aufgabe einer späteren Zeit bleiben. Die von unseren eigenen mannigfaltigen staatskirchenrechtlichen Bindungen gelöste Betrachtung der Institution der Synoden, ihrer Funktion und ihrer Krisen in uns benachbarten reformierten Kirchen kann uns aber bei aller angebrachten Kritik im einzelnen und trotz des abschreckenden Beispieles mehrerer Separationen wichtige Hinweise geben für die eigene Besinnung. Denn Spaltungen entstehen nicht wegen der synodalen Ordnung, sondern höchstens wegen eines schlechten Funktionierens derselben; oder — mehr aufs Zentrum gesehen — wegen eines falschen, missverstandenen Kirchenbegriffes, welcher sich in der Regel in Richtung der Wesens-Immanenz und des Individualismus bewegt. Ihr Auftreten kann jedoch nicht

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darüber hinwegtäuschen, welche gewaltige Kraft sich in einer Kirche zeigen kann und immer wieder bewiesen hat, für welche die lebendige, ihren Herrn bezeugende Ortsgemeinde Grundfaktor aller kirchlichen Ordnung, weil allen kirchlichen Lebens ist, und die sich für die erforderliche gemeinsame Regelung der Dienste untereinander und in der Welt der Synoden als Ort gemeinsamer Beratung und Beschlussfassung bedient.

Wo überörtliche Instanzen und Territorialkirchenregierungen am weitesten zurücktreten, wo man einer Stufenleiter der Ämter und der Macht entsagt, kann der Charakter der Kirche (und der Kirchen) als der Welt und einander dienender Gemeinschaft, als des Leibes Christi, als “königliches Priestertum”, am besten zum Ausdruck kommen, kann der Raum für die Regierung des Herrn selbst durch Wort und Geist am besten offengehalten werden. Von dieser Offenheit für die Regierung und den Dienst des Herrn aber hängen der Wohlstand der Kirche und die Erfüllung ihres Auftrages in der Welt ab.