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§ 5.
Das kanonische Recht und der Rechtsbegriff.

 

Ist das kanonische Recht der katholischen Kirche Recht im Rechtssinne?

Das kanonische Recht will geistliches Recht sein. Es beansprucht Rechtsgeltung als Erzeugnis der Kirche im religiösen Sinne, als Hervorbringung des in der Kirche Christi lebenden Gottesgeistes. Das ist die Art, wie des altkanonischen so auch des neukanonischen Rechts1. Zwar wird das neukanonische (seit dem Ausgang des 12. Jahrhunderts entwickelte) Recht von der Kirche als Körperschaft hervorgebracht, aber unter dem Gesichtspunkt, daß diese Körperschaft mit der Kirche Christi zusammenfällt. Nur diese religiöse Tatsache begründet auch für das neukanonische Recht die Rechtsgeltung. Die römisch-katholisch (neukatholisch) verfaßte Kirche ist eine geistliche, geistlich (durch Gott) erzeugte, geistlich (durch Gott) regierte Körperschaft. So bringt sie in den Formen körperschaftlicher (weltlicher) Gesetzgebung dennoch geistliches Recht hervor. In bezug auf das Wesen des einst (zur Zeit des Altkatholizismus) durch Lehre, jetzt (zur Zeit des Neukatholizismus) durch Gesetz erzeugten Rechts besteht zwischen Altkatholizismus und Neukatholizismus kein Unterschied.

Zweifellos ist das kanonische Recht Gemeinschaftsordnung. Das neukanonische Recht regelt das aus dem körperschaftlichen (das Leben mit Gott vermittelnden) Verhältnis, das altkanonische Recht das unmittelbar aus dem Leben mit Gott entspringende kirchliche Gemeinleben. Das eine wie das andere setzt sich als notwendig zur Erhaltung der Christenheit als des Volkes Gottes. Die katholische Idee ist, daß es ohne diese Rechtsordnung kein Christentum gibt. Vom katholischen Standpunkt ist darum


1 Die obigen Sätze vom altkanonischen (altkatholischen) und neukanonischen (neukatholischen) Recht werden im Kirchenrecht, Bd. 2 ihre Begründung finden.

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das kanonische Recht eine sittlich notwendige Gemeinschaftsordnung, also Rechtsordnung (oben § 1).

Der entscheidende Grundgedanke ist der Begriff der Kirche Christi als einer äußerlich sichtbaren Gemeinschaft. Diese durch das kanonische Recht geordnete und in Bestand erhaltene äußere Christenheit ist das Volk Gottes auf Erden, ist das Volk, welches durch Christum Gemeinschaft mit Gott, Vergebung der Sünden und ewiges Leben hat. Diese katholisch verfaßte Kirche ist die allein selig machende, durch Christum zu Gott führende Ekklesia, die Christenheit im religiösen Sinn. Nur in dieser äußerlich verfaßten Kirchengemeinschaft ist christlich-religiöses Leben, ist die Wiedergeburt möglich, die den natürlichen Menschen zu einem Kinde Gottes macht. Nur in dieser katholisch (römisch-katholisch) verfaßten Christenheit ist der Weg geöffnet, der zu der Vollendung der sittlichen Persönlichkeit durch den Empfang des Geistes Christi, des Geistes Gottes führt. Um seines sittlichen Wesens willen muß jeder Mensch zu dieser äußeren Kirchengemeinschaft gehören2. Die Mitgliedschaft in dieser katholisch verfaßten Christenheit ist notwendig, damit der Mensch wahrhaft ein Mensch nach dem Ebenbilde Gottes sei.

Die katholisch verfaßte Kirche ist darum vom katholischen Standpunkt eine Zwangsgemeinschaft in dem oben (§ 1) entwickelten Sinn. Sie beruht nicht auf der Willkür ihrer Mitglieder. Eintritt und Austritt gibt es nicht. Sie bestimmt selber, wer ihr zugehört. Sie nimmt alle Getauften als solche, ohne Rücksicht auf ihre Zustimmung, als sich zugehörig in Anspruch. Jeder Getaufte ist notwendig römischer Katholik, denn er kann nicht Christ sein, ohne der römisch-katholisch verfaßten Christenheit anzugehören. Die römisch-katholische Kirche ist die sittlich notwendige überindividuelle äußere Gemeinschaft aller


2 Bonifaz VIII. in seiner berühmten Bulle Unam sanctam, c. 1 Extrav. comm. de maj. (1, 8): subesse Romano pontifici omni humanae creaturae declaramus, dicimus, diffinimus et pronunciamus omnino esse de necessitate salutis.

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Getauften, d.h. der gesamten Christenheit. Ihre Ordnung, das kanonische Recht, ist Zwangsordnung, keine Konventionalordnung. Sie regelt die Zuständigkeit der Schlüsselgewalt, der Gewalt, im Namen Gottes zu binden (zu strafen) und zu lösen (zu begnadigen), um jedem Christen den ihm zukommenden gerechten Anteil an den Heilsgütern zu vermitteln. Ihre Ordnung, das kanonische Recht, ist als Ordnung, auch wenn im Einzelfall Unzutreffendes sich ergibt, von unbedingtem sittlichen Wert: um der Tatsache willen, daß der Bestand dieser unentbehrlichen äußeren Gemeinschaft an erster Stelle an der Ordnung als solcher hängt, an der Geltung einer aus der Vergangenheit stammenden formal verbindlichen, jeden einzelnen der Gemeinschaft unterwerfenden Regel (oben S. 7, 13). Die römisch-katholisch verfaßte Kirchengemeinschaft erzeugt durch sich selber mit ursprünglicher Kraft solche den Menschen um seines sittlichen Wesens willen formal (ohne das Recht sachlicher Prüfung) bindende Gemeinschaftsordnung. Die römisch-katholisch verfaßte Kirche ist folglich vom katholischen Standpunkt Rechtsquelle, die von ihr gesetzte Ordnung ist als solche Rechtsordnung.

Wie die katholisch verfaßte Kirche aus sich selber Recht, so erzeugt sie aus sich selber Obrigkeit. Die Schlüsselgewalt, die Gabe, das Wort Gottes zu führen, die Gabe, im Namen Gottes zu binden (zu strafen) und zu lösen (zu begnadigen), wird im Katholizismus zu einer Befehlsgewalt, welche für die Erhaltung der sichtbaren Christenheit als des Volkes Gottes zwangsweise wirksam ist. Weil die Kirche Christi dem Katholizismus die äußerlich sichtbare Christenheit ist, muß die Schlüsselgewalt, d.h. die Regierungsgewalt über die Kirche Christi, für den Katholizismus in eine äußerlich zwingende Befehlsgewalt sich verwandeln. Solche kirchliche Befehlsgewalt aber bedeutet obrigkeitliche Gewalt, denn sie verpflichtet durch sich selber, ohne Rücksicht auf Zustimmung des einzelnen und unabhängig von jeder anderen Gewalt um der sittlichen Notwendigkeit der Gemeinschaft willen, der sie entspringt, die durch sie erhalten wird. Die aus

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der Macht Christi (Schlüsselgewalt) erwachsende Befehlsgewalt ist sittlich notwendige, kraft des Wesens des Menschen (des Christen) Gehorsam fordernde, d.h. obrigkeitliche Befehlsgewalt.

Rechtsquelle und obrigkeitliche Gewalt sind nur verschiedene Seiten desselben Tatbestandes: des Daseins einer selbstherrlichen, durch sich selber sittlich zwingenden überindividuellen äußeren Gemeinschaft. Weil sie die alleinseligmachende (die sittlich notwendige) Kirchengemeinschaft ist, darum ist die römisch-katholische Kirche souverän, Quelle von Recht und Obrigkeit.

Im Mittelalter ist diese katholische Gedankenreihe praktisch herrschende Macht gewesen.

Die mittelalterliche Christenheit ist ein doppeltes. Sie ist die christliche Welt; sie ist die christliche Kirche3. Sie hat eine doppelte Verfassung: die Reichsverfassung und die (römisch-)katholische Kirchenverfassung. In der Form der Reichsverfassung ist sie die Gebieterin der Welt. In der Form der katholischen Kirchenverfassung ist sie die Kirche Christi. In beiden Formen ist sie souverän. In der Form der Reichsverfassung bringt sie das Kaisertum hervor, die weltliche Obrigkeit, in der Form der katholischen Kirchenverfassung das Papsttum, die geistliche Obrigkeit. In der Form der Reichsverfassung erzeugt sie das weltliche Recht, in der Form der katholischen Kirchenverfassung das geistliche (kanonische) Recht.


3 Innozenz III. Regestorum lib. II, 209 (v.J. 1199): Schreiben an den Patriarchen von Konstantinopel Migne Patr. Lat. tom. 214 p. 759: Jacobus enim frater Domini — Jerosolymitana (ecclesia) sola contentus — Petro non solum universam ecclesiam, sed totum reliquit saeculum gubernandum. Hier ist ecclesia die Christenheit als Kirche, saeculum die Christenheit als Welt. Der Papst will das Argument des Patriarchen von Konstantinopel entkräften, daß doch nicht Rom, sondern Jerusalem mater omnium ecclesiarum sei (vgl. Migne l.cit. p. 758). Das Verhalten des Jakobus, der sich mit Jerusalem begnügt habe (!), ist nach Innozenz III. die Ursache dafür, daß Christus vielmehr dem Petrus den allgemeinen Auftrag gab: Pasce oves meas, ihm damit die Herrschaft über die gesamte Christenheit — als ecclesia und als saeculum — übertragend.

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Die römisch-katholisch verfaßte Kirche ist dem Mittelalter kraft allgemeiner Überzeugung die alleinseligmachende Kirche Christi. Neben der weltlichen (reichsverfassungsmäßigen) steht darum eine geistliche (religiös begründete) äußere Zwangsgemeinschaft der gesamten Christenheit: die (römisch-)katholische Kirche. Daher die doppelte Souveränetät, die doppelte Obrigkeit, das doppelte Recht. Das geistliche Recht ist im Mittelalter Recht im Rechtssinn, ein zweites Recht neben dem weltlichen.

Die Reformation hat die Alleinherrschaft des Katholizismus gebrochen. Seit dem 16. Jahrhundert ist in den protestantischen Ländern die katholische Kirche nicht mehr die alleinseligmachende Kirche Christi. Für den Protestantismus gibt es überhaupt keine alleinseligmachende äußerlich sichtbare Kirche, also keine geistliche Zwangsgemeinschaft, keine äußere Kirchengemeinschaft mehr, welcher der Mensch, der Christ, um seines Seelenheils, um seines sittlichen Wesens willen angehören müßte. Nur die weltliche Zwangsgemeinschaft (der Staat) ist übrig geblieben. Für den Protestantismus gibt es folgeweise nur noch weltliche Obrigkeit und nur noch weltliches (von der staatlichen Gemeinschaft ausgehendes) Recht.

Seit den Tagen der Aufklärung setzt der moderne Staat ein. Es kommt die Toleranzidee. In Deutschland bringt sie im 18. Jahrhundert den paritätischen Staat hervor.

Die Toleranzidee gehört zu den Grundlagen des Staatslebens der ganzen abendländischen Kulturwelt von heute: nicht bloß in den Staaten mit überwiegend protestantischer, sondern ebenso in den Staaten mit überwiegend katholischer Bevölkerung. Der Sieg der Toleranzidee bedeutet, daß gegenwärtig die Idee einer alleinseligmachenden äußeren Kirchengemeinschaft für die Rechtsordnung überhaupt verschwunden ist. Sie bedeutet zugleich, daß es in der ganzen abendländischen Kulturwelt nur noch weltliche Obrigkeit und nur noch weltliches Recht gibt. Geistliche Obrigkeit und geistliches Recht sind auf dem Boden der modernen, von der Toleranzidee beherrschten Rechtsordnung unmöglich. Die

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Kirche Christi ist keine Rechtsquelle mehr, erzeugt keinen äußeren Zwang, erzeugt keine Obrigkeit mehr und kein Recht. Die protestantische Idee hat gesiegt. Die staatlich verfaßte Volksgemeinschaft ist heute überall die einzige Rechtsquelle. Es gibt in der abendländischen Kulturwelt keine souveräne Kirche mehr; nur der Staat ist souverän. Eine religiöse Entwicklung hat den modernen Staat geschaffen.

Auch in Deutschland ist die Notwendigkeit der religiösen Duldung ausnahmslose Volksüberzeugung, Rechtsüberzeugung. Daß dem so ist, bestätigt der berühmte Toleranzantrag des Zentrums im Reichstage (November 1900). Er bestätigt, daß auch die katholische Bevölkerung Deutschlands der Überzeugung ist, daß es für das Rechtsgebiet keine kirchliche Zwangsgemeinschaft, d.h. keine alleinseligmachende äußere Kirchengemeinschaft gibt noch geben darf. Auch von deutschen Rechtes wegen gibt es heute keine geistliche Obrigkeit und kein geistliches Recht mehr. Beides ist von Rechts wegen unmöglich.

Im paritätischen Staat bestehen mehrere gleichmäßig privilegierte Kirchenkörper nebeneinander. Keiner von diesen öffentlich-rechtlich anerkannten und ausgezeichneten Kirchenverbänden ist für die Rechtsüberzeugung der Gegenwart eine sittlich notwendige Kirchengemeinschaft, der jeder Christ als solcher anzugehören kraft seines Christentums verpflichtet wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Über die Zugehörigkeit zu dem einen, zu dem anderen Kirchenverband entscheidet der Glaubensstand, das Bekenntnis des einzelnen. Keiner dieser öffentlichrechtlichen Kirchenverbände ist darum durch sich selber Träger obrigkeitlicher Gewalt, keiner durch sich selber Rechtsquelle. Er kann es gar nicht sein, und zwar kraft allgemeiner Rechtsüberzeugung. Soweit ein solcher Kirchenverband obrigkeitliche Gewalt verwaltet, soweit er Rechtsordnung hervorbringt, kann es nur kraft anvertrauter Staatsgewalt geschehen. Keiner dieser Kirchenverbände ist von Rechtswegen die Kirche Christi, die wahre Kirche im religiösen Sinn. Auch in Deutschland ist die Kirche Christi aus dem Rechtsgebiet

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verschwunden. Wie sollte geistliches Recht, von der Kirche Christi (der Kirche im religiösen Sinn) erzeugtes Recht denkbar sein? Recht und weltliches Recht fällt auch für die deutsche Gegenwart miteinander zusammen.

Nur eine einzige Macht lehnt die ganze moderne Entwicklung ab: die amtliche Lehre der katholischen Kirche.

Ein Zugeständnis hat sie gemacht. Ihre Weltherrschaft (auch über die Christenheit als Welt) hat sie seit dem 16. Jahrhundert aufgegeben. Nationalstaat und Reformation hatten unwiderruflich der weltlichen Obrigkeit die Mündigkeit gebracht. Seitdem will die katholische Kirche unmittelbar nur noch das Kirchliche beherrschen. Aber sie setzt sich nach wie vor als eine „vollkommene”, d.h. souveräne, durch sich selbst bestehende und darum allein durch sich selbst beherrschte „Gesellschaft” (societas perfecta)4. Denn sie sieht sich nach wie vor als die alleinseligmachende Kirche Christi. So setzt sie sich nach wie vor als geistliche Zwangsgemeinschaft, als Quelle geistlicher Obrigkeit und geistlichen Rechts. Noch heute soll ihr kanonisches Recht durch sich selber Recht sein, aus religiösen Gründen, als Erzeugnis der Kirche Christi jeden Christen durch sich selber bindend, unabhängig von dem Staat. Noch heute geht sie von der Doppeltheit des Rechts, des weltlichen und des geistlichen Rechts, aus, ihrem eignen, dem aus Gottes Geist fließenden Recht naturnotwendig den Vorrang zusprechend vor dem weltlichen Recht. Die Ansprüche des modernen Staats auf Alleinbesitz der Souveränetät vermag sie nicht anzuerkennen. Warum? Weil sie die Kirche Christi (die alleinseligmachende Kirche) sein will.

Umgekehrt der moderne Staat: er vermag die Ansprüche


4 Das ist die seit dem 16. Jahrhundert herrschende, vom Jesuitenorden aufgenommene und demgemäß auch von dem Papsttum der Gegenwart (Pius IX., Leo XIII., Pius X.) vertretene römisch-katholische Lehre, vgl. z.B. den von Pius X. für die römische Provinz herausgegebenen Katechismus (Compendio della dottrina cristiana, Roma 1905) p. 119: La chiesa di Gesù Christo è costiuita come una vera e perfetta società.

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der katholischen Kirche nicht anzuerkennen, weil er ihr die Eigenschaft als Kirche Christi abspricht. Über diesen Punkt, über das Wesen der katholischen Kirche, über die Frage, ob sie die Kirche Christi sei, besteht die große Meinungsverschiedenheit zwischen dem modernen Staat und der katholischen Kirche, eine Meinungsverschiedenheit, die niemals ausgeglichen und durch kein Konkordat beseitigt oder auch nur abgeschwächt werden kann. Die amtliche römisch-katholische Kirche steht also unverändert auf dem Standpunkt des Mittelalters: ihr Recht ist Recht, und zwar Recht höchster Art, geistliches Recht.

Aber diese amtliche Stellungnahme des katholischen Kirchentums fällt nicht mehr mit der Rechtsüberzeugung des katholischen Volkstums zusammen. Das ist es, was schon hervorgehoben wurde, und das ist es, was die Frage nach dem Dasein geistlichen Rechts endgültig entscheidet. Natürlich, das katholische Volk Deutschlands glaubt an die römisch-katholisch verfaßte Kirche als an die alleinseligmachende Kirche Christi. Aber es will nicht mehr die Verwirklichung dieser religiösen Überzeugung auf dem Gebiet der Rechtsordnung. Es will die Duldung auch Andersgläubiger, gerade wie wir alle. Da ist zwischen Protestanten und Katholiken heute kein Unterschied. Der Katholik der Gegenwart will, daß der Glauben an die katholische Kirche als an die Kirche Christi lediglich religiöse Geltung habe. Rechtliche Folgerungen will niemand mehr daraus ziehen, jedenfalls niemand in Deutschland. Gewiß ist das Modernismus, und Pius X. verdammt ihn mit aller seiner Kraft, ganz gerade so, wie seine Vorgänger ihn verdammt haben. Aber es ist Modernismus kraft einstimmiger Überzeugung, gegen den selbst das Papsttum ohnmächtig ist. Für die Rechtsordnung von heute besteht darum das ganze katholische Gedankensystem nicht mehr. Es ist für das Rechtsgebiet durch die geschichtliche Entwicklung zermalmt worden. Von öffentlichen Rechtswegen soll keine sichtbare Kirche Christi und darum kein geistliches Recht und keine geistliche Obrigkeit mehr sein.

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Damit ist für die Rechtsordnung von heute die Gewalt der katholischen Kirche, des Papstes, der Bischöfe als obrigkeitliche Gewalt gefallen. Sie ist eine Gewalt rein religiöser Art geworden ohne Wirkung für das Rechtsgebiet. Zugleich ist damit das kanonische Recht als Recht gefallen. Es gibt nur noch weltliches (staatliches) Recht. Es ist nicht so, daß das Machtverhältnis von Staat und Kirche der rechtlichen Ordnung sich entzöge und lediglich tatsächlich bestimmbar sei5. Es ist von Rechtswegen heute durch den Satz geregelt, daß nur der Staat souverän ist, daß darum jede Kirche auf dem Gebiet der Rechtsordnung der rechtschaffenden Gewalt des Staates unterworfen ist. Gewiß, die religiöse Gewalt, welche der katholischen Kirche und ihren Bischöfen über die gläubigen Katholiken geblieben ist, wirkt tatsächlich noch jetzt im innerkirchlichen Leben obrigkeitlicher geistlicher Gewalt gleich. Aber sie hat aufgehört, obrigkeitliche Gewalt im Sinne der Rechtsordnung darzustellen. Gewiß ist der Staat in seiner Gesetzgebung darauf angewiesen, die religiösen Überzeugungen seiner katholischen Bürger mit schonender Nachsicht zu beachten. Aber es bleibt dabei, daß der Staat allein Quelle und Herr des geltenden Rechtes ist. Die Geltung der kanonischen Ordnung innerhalb der katholischen Kirche besteht von Rechts wegen aus Kraft und nach Maßgabe des weltlichen Rechts.

Die allgemein herrschende Kirchenlehre ist allerdings weit davon entfernt, dies Ergebnis der geschichtlichen Entwicklung zu erkennen. Sie faßt das kanonische Recht als „kirchliches”, von der Kirche als Genossenschaft erzeugtes Recht. Es soll immer noch als kanonisches Recht, nämlich als „kirchliches” Recht, in Geltung stehen, denn immer noch erscheint die Kirche als Körperschaft, Genossenschaft innerhalb des Staates. Aber das „kirchliche” Recht unserer herrschenden Lehre ist, wie die vorausgehende Darstellung (§ 4) gezeigt hat, bloße Phantasie. Niemals ist das kanonische


5 Wie Hinschius und Stutz lehren, vgl. Holtzendorffs Enzykl. d. Rechtswiss. (5. Aufl. 1890) S. 860. Kohlers Enzykl. d. Rechtswiss., Bd. 2 (1904) S. 904 (ebenso jetzt in der 2. Aufl. Bd. 5, 1914, S. 393).

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Recht „kirchliches” Recht gewesen. Schon deshalb nicht, weil „kirchliches”, von der Kirche als Körperschaft kraft genossenschaftlicher Gewalt erzeugtes Recht weltliches Recht sein würde. Immer ist das kanonische Recht kraft geistlicher Gewalt hervorgebrachtes geistliches, um des christlichen Glaubens willen geltendes Recht gewesen. Es will noch heute nicht „kirchliches”, sondern geistliches Recht sein. Aber geistliches Recht gibt es nicht mehr. Das ist es, was ausgeführt wurde.

Wie die Lehre, daß jede „organische” Gemeinschaft Rechtsquelle sei, einen Irrtum bedeutet (oben § 1), so auch die Ansicht, daß noch heute die katholische Kirche ein von staatlicher Anerkennung unabhängig „geltendes” kirchliches Recht zu erzeugen imstande wäre. Auch als „Genossenschaft” ist die Kirche zu selbständiger Rechtserzeugung unfähig, denn keine Kirche kann mit weltlicher Wirkung den Anspruch erheben, daß ihr der Bürger kraft sittlicher Notwendigkeit zugehören müsse. Die einzige sittlich notwendige Gemeinschaft ist heute die im Staate organisierte Volksgemeinschaft. Darum gibt es nur das von Staats wegen geltende Recht. Genossenschaftliches Recht, körperschaftlich von irgend einer innerhalb des Staates bestehenden Gemeinschaft erzeugtes Recht, kann nur nach Maßgabe der staatlichen Normen zustande kommen. Alles körperschaftliche Recht, auch etwa vorhandenes kirchliches Recht, kann nur Recht von abgeleiteter Rechtsgeltung sein (oben S. 11, 12).

Allein von dem gewonnenen Gesichtspunkt aus kann die Stellung des heutigen öffentlichen Rechts zu den kirchlichen Ordnungen richtig beurteilt werden.

Ein Beispiel soll das veranschaulichen.

In § 76 des Personenstandsgesetzes vom 1875 heißt es:

„In streitigen Ehe- und Verlöbnissachen sind die bürgerlichen Gerichte ausschließlich zuständig. Eine geistliche oder

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eine durch die Zugehörigkeit zu einem Glaubensbekenntnis bedingte Gerichtsbarkeit findet nicht statt”.

Dagegen lautet § 15 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung vom 1. Januar 1900:

„Die Ausübung einer geistlichen Gerichtsbarkeit in weltlichen Angelegenheiten ist ohne bürgerliche Wirkung. Dies gilt insbesondere von Ehe- und Verlöbnissachen.”

Daß beide Reichsgesetze trotz verschiedenen Wortlauts den gleichen Inhalt haben, wird mit Recht allgemein angenommen. Aber welchen Inhalt?

Die allgemein herrschende Meinung ist, daß der letztangezogene § 15 des Gerichtsverfassungsgesetzes die „korrektere”, die „präzisere” Fassung hat, daß also der erstangezogene § 76 des Personenstandsgesetzes im Sinne von § 15 des Gerichtsverfassungsgesetzes auszulegen ist: „Das Verhandeln und Entscheiden in Ehestreitigkeiten hat den geistlichen Gerichten nicht untersagt sein sollen; sie können fortamtieren; nur haben die Verhandlungen und Entscheidungen für das staatliche und bürgerliche Gebiet keine rechtliche Bedeutung und rechtliche Wirkung.”6

Die allgemein herrschende Meinung ist also, daß geistliche Gerichtsbarkeit „nicht überhaupt, sondern nur ihre bürgerliche Wirkung” ausgeschlossen sei7. Aber diese Meinung ist irrig.

Selbstverständlich können sich irgend welche katholische Konsistorialräte jeden Tag zusammensetzen und sagen: wir üben Ehegerichtsbarkeit aus. Deshalb wird ihnen nichts Leides angetan werden, so lange sie dieser Meinung weiter keine praktischen Folgen geben, so lange sie insbesondere keinen Protestanten (etwa den protestantischen Eheteil einer gemischten Ehe) vor ein solches „geistliches Gericht” zu laden oder ihm ihr geistliches „Urteil” in autoritärer Form kundzutun unternehmen. Ebenso ist es natürlich


6 So Hinschius, Das Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes, Kommentar, 3. Aufl. 1890, S. 212. Ebenso Sartorius, Kommentar zum Personenstandsgesetz, 1902, S. 448, 449 u.a.
7 Sartorius a.a.O.

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jedem Katholiken unverboten, in der Entscheidung eines solchen Kollegiums eine ehegerichtliche Entscheidung zu erblicken und sich freiwillig nach ihr zu richten. Gedanken sind zollfrei. Damit ist aber nicht gesagt, daß ein solches Vorgehen einer katholisch-kirchlichen Behörde vom Standpunkt der Rechtsordnung als Ausübung einer Ehegerichtsbarkeit in irgendwelchem Sinne anzuerkennen ist.

Kann nach heutigem deutschen Recht eine geistliche Gerichtsbarkeit bestehen, wenngleich ohne bürgerliche Wirkung?

Die „bürgerliche Wirkung” fällt mit der Wirkung für den Staat und dessen Rechtsordnung zusammen. Die geistliche Gerichtsbarkeit hat also nach dem Gerichtsverfassungsgesetz keine staatlich-rechtliche Wirkung. Liegt es darin, daß sie vom Standpunkt unseres Staates und unseres Rechts überhaupt keine rechtliche Wirkung äußert? Dann ist der § 15 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Sinne des § 76 unseres Personenstandsgesetzes zu verstehen. Auch § 15 würde sagen (gegen die herrschende Meinung): eine geistliche Gerichtsbarkeit findet nicht mehr statt. Denn Gerichtsbarkeit ohne jede rechtliche Wirkung ist ein Widerspruch in sich selbst.

Die allgemeine Ansicht aber ist, daß im Gegenteil der § 76 des Personenstandsgesetzes im Sinne von § 15 des Gerichtsverfassungsgesetzes verstanden werden müßte. Es sei also geistliche Gerichtsbarkeit „nicht überhaupt ausgeschlossen”. Es gebe danach für unsere Reichsgesetzgebung (Personenstandsgesetz, Gerichtsverfassungsgesetz) noch eine andere Gerichtsbarkeit als die staatliche, zwar ohne Wirkung für das staatlich geltende Recht (ohne bürgerliche Wirkung), aber doch nicht ohne jede Rechtswirkung. So müßte es für unsere Reichsgesetzgebung auch ein anderes Recht geben als das staatlich geltende Recht, ein Recht, welches auch ohne staatliche Sanktion, selbst in Widerspruch mit dem staatlichen Gesetz dennoch im Sinne unserer Reichsgesetzgebung Recht wäre. Nur unter dieser Voraussetzung ist eine anderweitige Gerichtsbarkeit außer der vom

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Staate abgeleiteten überhaupt denkbar. Mit anderen Worten: die gemeinübliche Lehre vom „kirchlichen Recht” ist die Voraussetzung der gemeinüblichen Auslegung unserer Reichsgesetze. Mit dem kirchlichen Recht ist auch die kirchliche Gerichtsbarkeit gerettet: sie würde nicht von staatlich-rechtlicher („bürgerlicher”), jedoch von kirchlich-rechtlicher Wirkung sein. Indessen: „kirchliches” Recht ist niemals dagewesen. Für die katholische Kirche ist „kirchliches” Recht vollends undenkbar8. Mit dem kirchlichen Recht fällt auch die kirchliche Gerichtsbarkeit. Die geistliche „Gerichtsbarkeit” wäre eine Gerichtsbarkeit ohne jede Rechtswirkung!

Nach heutigem deutschem Reichsrecht gibt es kein geistliches Recht und keine geistliche Gerichtsbarkeit. Der § 76 des Personenstandsgesetzes ist der „präzisere”. Der § 15 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist — zweifellos mit Absicht, um jeden Anstoß auf katholischer Seite zu vermeiden, — weit undeutlicher, denn er läßt die entscheidende Frage, ob überhaupt noch eine andere als die staatliche (bürgerlich wirkende) Gerichtsbarkeit gedacht werden könne, unbeantwortet. Aber durch die vorsichtige Ausdrucksweise des Gesetzgebers wird die Tatsache nicht erschüttert, daß heute in Deutschland kein geistliches Recht (geschweige denn „kirchliches” Recht) in rechtlicher Geltung steht, daß es darum andere als staatliche Gerichtsbarkeit nicht gibt.

Das ist es, was insbesondere für das Gebiet des Eherechts und folgeweise der Ehegerichtsbarkeit durch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch bestätigt wird.

Zwar führt im BGB. der erste Abschnitt des vierten Buches die Überschrift: „bürgerliche Ehe”. Aber keineswegs in dem Sinn, als ob es außer der im BGB. geregelten Ehe noch eine andere Ehe, etwa eine „kirchlich geschlossene” Ehe, außer dem im BGB.


8 Das kanonische Recht der katholischen Kirche soll genossenschaftlich erzeugtes Recht einer Religionskörperschaft (Religionsgesellschaft) im Sinn der Aufklärung bedeuten! Man braucht diesen Leitsatz der herrschenden Lehre nur anzusehen, um seine geschichtliche Unmöglichkeit, zumal seine Unmöglichkeit auf dem Boden des Katholizismus zu erkennen.

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enthaltenen Eherecht noch ein anderes Eherecht, etwa kirchliches oder geistliches Eherecht gäbe. Gerade das besagt der berühmte § 1588:

„Die kirchlichen Verpflichtungen in Ansehung der Ehe werden durch die Vorschriften dieses Abschnitts9 nicht berührt.”

Der Paragraph spricht von kirchlichen Verpflichtungen „in Ansehung der Ehe”. Welcher Ehe? Der Ehe, die nach den Vorschriften des BGB. besteht (der „bürgerlichen Ehe”). Diese Ehe ist für das BGB. die Ehe (vgl. z.B. §§ 1317, 1564). Eine andere Ehe gibt es für das BGB. nicht. In Ansehung der Ehe, die das BGB. regelt, sind „kirchliche Verpflichtungen” möglich, deren Geltung unberührt bleibt. Das heißt: die Kirche kann für ihre Angehörigen hinsichtlich der Ehe Ordnungsvorschriften (sog. Sollvorschriften) erlassen, die ihre Angehörigen ihr gegenüber zu erfüllen verpflichtet sind. Gültigkeitsvorschriften (sog. Mußvorschriften) aber aufzustellen, ist die Kirche nach § 1588 nicht befugt. Gültigkeitsvorschriften haben bedingende, keine verpflichtende Wirkung: sie regeln nicht Verpflichtungen der Angehörigen des Gemeinwesens hinsichtlich eines Rechtsverhältnisses, sondern unmittelbar und lediglich das betreffende Rechtsverhältnis selbst. So ist die Vorschrift des BGB. § 518, nach welcher das Schenkungsversprechen gerichtlicher oder notarieller Beurkundung bedarf, keine Vorschrift über Verpflichtungen der Reichsangehörigen in Ansehung der Schenkung, sondern unmittelbar eine Vorschrift über die Schenkung. Ebenso bedeutet § 1317, nach welchem die Ehe nur vor dem Standesbeamten geschlossen werden kann, keine Vorschrift über Verpflichtungen hinsichtlich der Ehe, sondern eine Vorschrift unmittelbar über die Ehe. Von solchen das Rechtsverhältnis selbst treffenden Gültigkeitsvorschriften ist die Kirche nach § 1588 ausgeschlossen: sie kann keine Vorschriften über die Ehe aufstellen, über Gültigkeit und Ungültigkeit,


9 Nämlich des Abschnitts über die „Bürgerliche Ehe”.

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über Zustandekommen und Aufhebung der Ehe10. Sie kann nur Vorschriften über Verpflichtungen ihrer Angehörigen in bezug auf die Ehe erlassen, deren Erfüllung für den rechtlichen Bestand der Ehe gleichgültig ist. Sie hat nach dem BGB. keine Ehegesetzgebung, sondern von Rechtswegen nur eine disziplinare Gesetzgebung (die vom Staate abgeleitet ist und deshalb in den vom Staat bestimmten Grenzen sich bewegt) über das Verhalten ihrer Angehörigen zur kirchlichen Körperschaft. Die kirchlichen Vorschriften „in Ansehung der Ehe” sind kein Eherecht, sondern Vorschriften des Körperschaftsrechts über mitgliedschaftliche Verpflichtungen der Kirchenangehörigen.

Das BGB. kennt außer dem bürgerlichen (staatlichen) Eherecht kein anderes kirchliches oder geistliches Eherecht. Es folgt daraus wiederum, daß nach unserem Reichsrecht — entsprechend dem Rechtsbewußtsein unserer Zeit — wie geistliches Eherecht so auch geistliche Ehegerichtsbarkeit unmöglich ist. Soweit früher noch etwa geistliche Ehegerichtsbarkeit bestand, ist sie durch die Reichsgesetzgebung nicht bloß ihrer „bürgerlichen Wirkung” entkleidet, sondern aufgehoben worden. Der Staat von heute hat Macht über das Rechtsleben auch in der Kirche, und zwar von Rechtswegen, denn nur der Staat ist heute souverän und Rechtsquelle. Es gibt keine „vollkommene” Kirchengesellschaft mehr.

Durch die herrschende Lehre vom „kirchlichen Recht” wird das ganze öffentliche Recht der Gegenwart gefälscht.

Wo kirchliches Recht, da würde auch kirchliche Gesetzgebung und kirchliche Gerichtsbarkeit, d.h. kirchliche Obrigkeit sein. Gesetzgebung ist obrigkeitliche Rechtssetzung, Gerichtsbarkeit ist obrigkeitliche Rechtspflege, unabhängig von anderer Gewalt.


10 Daß der Standesbeamte nach § 1313 die Eheleute nur kraft „dieses Gesetzes”, also kraft des BGB., für „rechtmäßig verbunden” erklärt, hat folglich keine die Rechtswirkung der standesamtlichen Eheschließung einschränkende Bedeutung, da nach dem BGB. „dieses Gesetz”, nämlich das BGB., das einzige über die „rechtliche Verbundenheit” der Eheleute entscheidende Gesetz ist.

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Gerade das ist die Meinung der Lehre vom „kirchlichen Recht”. Die rechtliche Geltung des „kirchlichen Rechts”, wie es auch mit der praktischen Durchsetzung bestellt sei, folgeweise ebenso die rechtliche Geltung kirchlicher Gerichtsbarkeit, kirchlicher Gesetze, soll von der staatlichen Gesetzgebung unabhängig, d.h. sie soll souveräne Geltung sein. Wo Rechtsquelle ist, da ist notwendig Souveränität11. Die Lehre vom „kirchlichen Recht” setzt die Kirchengewalt auch für das heutige Recht als zweite souveräne Gewalt neben die Staatsgewalt. Das aber ist das Gegenteil der Wahrheit.

In der Entwicklung der rechtserzeugenden Kräfte spiegelt sich am deutlichsten der ganze Gang der Rechtsgeschichte. An der Frage nach dem Dasein geistlichen Rechts entscheidet sich die Frage nach dem rechtlichen Machtverhältnis von Staat und Kirche, nach der rechtlichen Natur von Staatsgewalt und Kirchengewalt.

Es hat sich herausgestellt, daß es kein geistliches Recht mehr gibt. Dieser Satz bedeutet: nur noch die Staatsgewalt ist obrigkeitliche Gewalt. Obrigkeitliche Gewalt aber fällt mit öffentlichere Gewalt zusammen. So gelangen wir zu dem für das heutige deutsche öffentliche Recht grundlegenden Ergebnis: alle öffentliche Gewalt ist heute Staatsgewalt.


11 Das lehrt denn auch Stutz, in Anschluß an Hinschius, indem er (in Kohlers Enzykl. a.a.O., vgl. oben S. 36 Amn. 5) die Kirche nebst ihrer Kirchengewalt für „inkommensurabel” erklärt mit dem Staat und der Staatsgewalt. Bei Hinschius, Staat und Kirche, in Marquardsens Handbuch des öff. R. der Gegenwart, Bd. 1, 1883, S. 254, 255, heißt es, daß die mit öffentlicher Korporationsqualität bekleidete Kirche eine eigne nicht vom Staat abgeleitete, der staatlichen Souveränität „verwandte” „obrigkeitliche Gewalt” besitze, die „zwar keine souveräne, aber „ebenso wie die Staatsgewalt eine öffentlich-rechtliche Gewalt” sei; — ein vollkommener Widerspruch in sich selbst.